Direkt zum Hauptbereich

Ein Taschentuch im Wert eines Autos...

...so jedenfalls könnte man den Vergleich ziehen.

In der Region, in der ich wohne, waren bis vor etwa 100 Jahren viele Haushalte in der Stickereiindustrie tätig.  
St. Gallen war Hochburg der Stickereien, der 1. Weltkrieg läutete allerdings der Niedergang dieser Branche ein.

Im Kanton Appenzell Innerrhoden konnte sich aber bis in die 1950er Jahre die Nische der Handstickerei halten. 1920 war jede zweite Frau im Kanton in Heimarbeit mit Sticken beschäftigt.

 
Taschentücher waren ein wichtiger Exportartikel. Eine Stickerin verdiente 1920 pro Stunde je nach Art der Stickerei zwischen 30 bis 150 Rappen. Für einen Preis von Fr. 250.- bis Fr. 500.- wurden die guten Stücke exportiert, wobei dann der Detailhandel nochmals 300 Prozent aufschlug. Wir liegen also für ein Taschentuch wie auf den Fotos zu sehen bei einem Preis von Fr. 750.- bis Fr. 1500.-. Wohlgemerkt: Dieser Preis galt 1920!!!
In die heutige Zeit umgerechnet, könnte man für das gleiche Geld ohne Probleme ein Auto kaufen...
Klar, das sich auch damals nur die allerreichsten ein solches Taschentuch leisten konnten. War es doch zu dieser Zeit ein Statussymbol, an dem sich herauslesen liess, wie reich der oder die Besitzerin des Stückes war.
 
Die Taschentücher sind so fein gearbeitet, dass sich die einzelnen Stiche fast nicht erkennen lassen. Auf dem oberen Bild seht ihr Detailausschnitte. Unten zwei ganz abgebildete, sie sind etwa 30 x 30 cm gross.
 
 
Wer ab und zu stickt kann sich vorstellen, wie viele Stunden in einem solchen Stück stecken...
 
Die Handstickerinnen fertigten aber nicht nur Taschentücher, sondern auch seidene Blusen...
 
 
...und seidene Bettjäckchen.
 
 
Auch bei diesen Stücken ist jeder einzelne Stich von Hand ausgeführt!!!
 
 
Männer an den Herd!
Jawoll, das hiess es schon 1920. Das in einem Kanton, in dem es wohl bis heute kein Frauenstimmrecht gäbe, wenn es ihm 1990 nicht vom Bund aufgezwungen worden wäre.
Die Frauen verdienten mit ihren Stickarbeiten im Nebenerwerb oft besser als die Männer im landwirtschaftlichen Haupterwerb. So hatten oft die Männer für Haushalt und Kindererziehung zu sorgen. Oft genug kamen sie allerdings diesen Pflichten nur ungenügend nach und an den Frauen blieb die Mehrfachbelastung hängen. Dies hatte zur Folge, das die meisten von ihnen mit 35 bis 40 Jahren alte Frauen waren. Abgearbeitet, verwelkt und durch die vielen Stunden am Stickrahmen bei schlechtem Licht praktisch blind.
Für viele Frauen bedeutete dies Invalidität, eine Rente stand ihnen trotzdem nicht zu.
 
 
 
Tja, die Textilbranche ist heute nicht besser. Die Ausbeutung hat sich ins Ausland verlagert. Kinderarbeit war während der Stickereiblüte normal, so ist das heute noch immer in den Niedriglohnländern. Versucht doch daran zu denken, wenn ihr das nächste Mal in einer Billigkette etwas neues zum Anziehen kauft...
 
Ich jedenfalls hüte die Taschentücher und Blusen sorgfältig und bin stolz darauf, diese Schätze besitzen zu dürfen.
 
Euch allen ein schönes Pfingstwochenende!
 
Herzliche Grüsse
Sandra
 
 
 

Kommentare

  1. Ein wunderbarer Post von dir!
    gäbe einen guten Film ab....über ein altes Handwerk, von Frauen, die es zu jener Zeit wie heute verstehen für ihre Familie den Karren aus dem Dreck zu reissen und leider nur zu oft die ganze Arbeit alleine machen müssen.
    Wenn ich daran denke, wieviel ein solches damals Stück gehandelt wurde, und wie wenig im Gegenzug die Stickerin davon bekommen hat, dann ist das heute noch immer nicht besser. Der moderne Sklavenhandel blüht munter weiter.
    Herzliche Grüsse
    Carmen

    AntwortenLöschen
  2. Vielen Dank für diesen schönen Post! An sich ist mir dieser geschichtliche Punkt schon bekannt gewesen, aber bei den damaligen Preisen musste ich schon schlucken.
    Herzliche Grüsse
    LiLo
    (im Tessin schickten die armen Familien in diesen Jahren ihre Buben als Kaminfeger, lebendige Besen, in den Dienst.... was für eine Zeit. Wie gut geht es uns doch nur 150 Jahre danach)

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Ja, ich kenne den "Bubenhandel" im früheren Tessin. Gibt es nicht ein Buch dazu? Ich glaube es heisst "Die schwarzen Brüder"...
      Grüässli Sandra

      Löschen
  3. You will see that any time you are over a straight up and down movement this can be quite really hard with
    your knees.

    Also visit my homepage; simply click the next website

    AntwortenLöschen

Kommentar veröffentlichen

Beliebte Posts aus diesem Blog

DIY - Auf die Kuh gekommen...

Sie ist fröhlich und zaubert ein Lächeln ins Gesicht! Die Kinder lieben sie. Allerdings, um sie selber zu nähen muss man ein wenig geübt sein. Die kleinen Teile haben es in sich!     Als erstes das Bild mit dem Schnittmuster abspeichern, und in A4 - Grösse ausdrucken. Damit die Teile in etwa so gross sind wie meine, habe ich Euch eine Streckenlänge angegeben. Mit dieser Grösse wird die Kuh etwa 18cm hoch. Wer sie grösser haben möchte, kann das Muster mit dem Kopierer einfach vergrössern. Je grösser die Teile, umso einfacher ist das Ganze zu nähen.     Plündert Eure Restenkiste. Am besten geeignet sind Frotte oder Plüsch, aber es geht auch mit normalem Baumwollstoff. Mein Kühchen beweist es. Sucht zusammen, was Euch gefällt!   Dann werden alle Teile mit jeweils 5mm Nahtzugabe rundum so viele Male zugeschnitten, wie auf dem Schnittmuster vermerkt ist. Die Öhrchen werden verstürzt und wie auf dem Bild gegeinander gelegt. Die Schnauzenteile werden zusammengenäht

Jerseyteil aus Baumwolle nähen?

Mich hat von Martina eine Frage erreicht. In Bezug auf meine beiden Posts, die die Elastizität von Jersey behandeln ( Teil 1 und Teil 2 ) fragte sie: Ich würde gerne ein Teil, das ich schon einige Male aus Jersey genäht habe, aus Baumwolle ohne Elastizität nähen. Kann ich den Schnitt nicht einfach rundum 0,5cm vergrössern? Wie kann ich die Elastizität ausgleichen? Der Fall von Baumwolle ist ganz anders als bei Jersey, was die Optik ganz stark verändern kann. Aber den Versuch kann man natürlich wagen! Zum Vorgehen wie Du das Schnittmuster anpassen kannst: Nimm das Teil aus Jersey, das Du aus Baumwolle nähen willst. Wie bei der Maschenprobe beim Stricken musst Du nun ausrechnen, um wieviel das Schnittmuster vergrössert werden muss, um die fehlende Elastizität auszugleichen. Bezeichne dazu im Bereich der Oberweite ein Stück von 10cm (quer, nicht längs!), in dem Du zwei Fäden einziehst. Mach das an Vorder- und Rückenteil. Nun ziehst Du das Oberteil an, und misst den Abstand zwisc

Das beleuchtete Kleid

Es war ein schon lange erhaltener Auftrag, den ich aber erst jetzt noch ausgeführt habe. Gewünscht wurde ein beleuchtetes Kleid. Das Material dafür hat die Auftraggeberin selber in Frankreich eingekauft, bei der Firma LumiGram  .     Zu der Lieferung erhielt ich drei Merkblätter, unter anderem eines in dem beschrieben wurde wie der Stoff zuzuschneiden sei und was man alles nicht darf (und das ist so einiges!) Im Kontakt mit der Firma wurde gesagt, das die Schnitte einfach zu halten seien und möglichst salopp sein sollen. Aber bei einem steiflichen Material ohne jeglichen Fall würde die Person angezogen aussehen wie ein Ballon. Zudem wünschte sich die Auftraggeberin ein auf Figur geschnittenes Kleid.     Das Material bestand aus einzelnen Panels, wobei jedes Panel aus drei LED-Lämpchen besteht, die ihr Licht in die einzelnen Glasfaserstränge verteilen. Pro Panel wird eine Batterie angeschlossen. Meine Aufgabe war es nun, aus drei Panels das Kleid herzustellen. Beim

DIY - Aus Jeans mach neu

    Upcycling ist in aller Munde. Unser Massenkonsum belastet die Umwelt und erschöpft vorhandene Ressourcen. Viel vermeintlich Altes kann neuer Verwendung zugeführt werden. Was eignet sich besser als eine alte Jeans?   Die Nähanleitung gibt's wie immer auf Handcraftaholic .     Wer für das Projekt genau das gleiche Schnittmuster verwenden möchte wie wir: Das gibt es HIER   Viel Spass beim Upcyclen!   Herzliche Grüsse Sandra  

Vorlage Preiskalkulation und unser Konsum

Auf Ansalia   und Stoffn   laufen Diskussionen über die Preisgestaltung von handgemachten Artikeln. Dabei ist mir aufgefallen, das sehr viele sich über die genauen Aufwände und Kosten bei der Herstellung eines Produktes nicht im Klaren sind.   Bevor ich mein persönliches Rechenbeispiel anhand dieses Weekenders erläutere, ein Wort zu allen die das Kreativ sein als Hobby betreiben: Denkt beim Lesen dieses Posts nicht dass die Angaben für Euch nicht gelten, gerade weil es "nur" Hobby ist. Überlegt Euch, was ihr bei denjenigen anrichtet, die vom Kreativ sein Leben. Dinge unter Wert zu verkaufen bedeutet für die Selbständigen einen noch viel grösseren Preiskampf als sowieso schon ist. Hobbybetreiber können also Gewerbetreibenden schaden, wenn auch unbewusst. Aber wann ist ein Artikel unter Wert verkauft? Wann ist der Preis ein Wucherpreis? Nun also zu meinem Kalkulationsbeispiel: Produktbeschrieb: Der Weekender "Seatime" ist quasi eine Reisetasche, die ge

Von Ärmel zu ärmellos

Im Moment sind ja eigentlich eher die "formlosen" grossgeschnittenen Shirts angesagt. Basics, also schmalgeschnittene einfache Shirts, sind aber immer gewünscht. Besonders bei denjenigen, die in "Bürokleidung" zur Arbeit müssen. Zum Glück wird es langsam wieder wärmer. Zeit für ärmellos! Wie gehst Du nun vor, wenn das Schnittmuster des Shirts mit Ärmel gedacht ist, Du aber ein ärmelloses haben möchtest? Wenn Du willst, dass niemand die Farbe Deines BH's erkennen kann, das Armloch also schön anliegen soll, musst Du vor dem Zuschneiden ein paar kleine Änderungen am Schnittmuster vornehmen. Am besten Du kopierst es einmal ab, damit Du das passende Muster mit Ärmel immer noch verwenden kannst. Voraussetzung ist: Das vorhandene Muster mit Ärmel muss ebenfalls schmal geschnitten sein, mit kleinem Armloch. Sonst stimmen die folgenden Änderungen nicht... Verenge an den Seitennähten vom Armloch bis zur Taille das Muster um je 1cm. Vertiefe das Armloch ebenfalls

Schnittmuster abnehmen...Teil 1

...ohne das vorliegende Kleidungsstück zu zerschneiden! Ich habe vor ein paar Monaten eine Serie gemacht, die die Abnahme eines Schnittmusters beschreibt, wobei das Kleidungsstück zerschnitten wird. Hier kannst Du Teil 1 , Teil 2 und Teil 3 nachlesen. Nun zeige ich Dir, wie man das Schnittmuster abnehmen kann, ohne das Teil zu zerschneiden. Mein Beispiel: Ein Herrenhemd.   Zuerst müssen ein paar Masse genommen werden. Dazu legst Du das Hemd flach auf den Tisch und misst die Oberweite von Seite zu Seite gleich unterhalb des Armlochs (gelbes Massband). Dann misst Du vom Kragenansatz bis zum Saum (rosa Massband). Notiere Dir die Masse.   Nun drehst Du das Hemd um und misst am Rücken die Halslochbreite. Dieses Mass ist etwas schwierig zu nehmen, aber je nach Hemdgrösse ist ein Mass zwischen 15cm und 19cm realistisch. Das Mass wieder notieren.     Weiter kannst Du nun mit Hilfe eines Lineals und eines Massbandes die Schulterschrägung messen (gelbes Band). Dazu

Schnittmuster abnehmen...Teil 2

  Und weiter gehts, mit dem Schnittmuster für Dein Hemd! Du hast im ersten Teil einen Grundraster erhalten. Darin zeichnest Du nun gleich neben dem Rückenhalsloch einen 1cm tiefen Abnäher ein, der bis zur Göllerlinie reicht. Die schraffierte Fläche wird später weggedreht. Beim Armloch misst Du ab der Göllerlinie 1cm nach unten und zeichnest von diesem neuen Punkt eine leicht runde Linie auf die Göllerlinie.     Am Vorderteil nun parallel zur Schulternaht mit 3cm Abstand eine Linie ins Vorderteil einzeichnen. Für die Seitennähte etwa 22cm bis 25cm vom Armloch nach unten messen und bei diesem neuen Punkt nach links und rechts je 1.5cm abmessen. Seitennähte wie unten ersichtlich einzeichnen. Der Saum kannst Du, wie bei mir, leicht rund einzeichnen, oder Du lässt es gerade. Ebenfalls kann am Saum bei den Seitennähten je 1cm eingestellt werden. (Bild unten) Am Vorderteil nun von der vorderen Mitte nach aussen zwei Mal 3cm parallel zur vorderen Mitte anzeichnen. Die ergibt d

DIY - Schuh Pads

Es ist ja nicht so, das ich oft verreise. Aber ab und zu kommt das vor. Dann stört es mich immer wieder, dass die Schuhe beim Auspacken des Koffers eingedrückt zum Vorschein kommen.      Die Schuh-Pads schaffen ab sofort Abhilfe!   Du brauchst ein Stück Baumwollstoff (oder verschiedene kleinere Stücke) und Stopfwatte.   Speichere das Bild mit dem Schnittmuster ab und drucke es aus. Passe eventuell die Grösse an, die Soll-Masse sind auf dem Muster vermerkt.     Schneide nun das Teil vier Mal zu. Die Nahtzugaben sind im Schnittmuster enthalten.    Für die Laschen benötigst Du noch zwei Stücke mit den Massen 4cm x 11cm. Wenn Du alles zugeschnitten hast, liegen sechs Teile vor Dir:   Schlage nun die Längsseiten der Rechtecke je einmal zur Mitte, dann faltest Du sie längs noch einmal zusammen. Mit Geradstich absteppen.      Nähe nun an allen vier Pad-Teilen die Kellerfalte, wie auf dem Schnittmuster eingezeichnet.   Auf je zwei

Ein Berg alter T-Shirts - es werde ein Quilt!

    Zu Hause liegt ein Stapel alter T-Shirts. Getragen werden können sie nicht mehr, dazu sind sie zu ausgeleiert oder einfach nicht gut geschnitten. Die Aufdrucke auf den einzelnen Teilen aber erzählen die persönliche Geschichte. Jedes Shirt steht für eine andere Episode. Es ist unmöglich, sich von den Shirts zu trennen! Aber im Schrank zu lagern benötigt Platz und schöner werden die Shirts da ja auch nicht.       Mit Zeit und Geduld wird ein Quilt!   In der Nähwerkstatt ist ein solches Stück entstanden:         Der Boden der Nähwerkstatt wurde mit den Shirts bedeckt. Einige mussten unbedingt mit in den Quilt, bei anderen war man unschlüssig. Einige wurden ganz aussortiert.       Ein alter Bettdeckenanzug sollte für die Zwischenstreifen verwendet werden. Darauf wurden die ausgewählten und inzwischen grob zugeschnittenen Shirts ausgelegt. Die einmal festgelegte Ordnung wurde mittels Handy festgehalten damit während des Nähprozesses imme